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Die Marinestadt Kiel

von Albert Nitzschke, ergänzt von Klaus Schotte

Die Tradition Kiels als Marinestadt begann mit dem Jahre 1865. Am 24.06.1865 verlegte die preußische Flotte unter ihrem Admiral JACHMANN die Marinestation der Ostsee von Danzig nach Kiel. Das Bild dieser kleinen Handels- und Universitätsstadt an der Förde mit ihren kaum 20.000 Einwohnern wurde von nun an durch die Marine geprägt:
Durch die im Laufe der Zeit auf dem Ostufer entstandenen Werften, die fast ausschließlich für den Kriegsschiffbau tätig waren, wurde Kiel zu einer der bekanntesten Schiffbaustädte Europas. Die Marine gab den entscheidenden Anlass zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals, eine der meistbefahrensten Wasserstraßen der Welt, – und schließlich wurde die „Kieler Woche“ wegen der Förderung des Segelsports durch die Marine zu einem Begriff für die Segler in allen fünf Erdteilen.
Wodurch wurde das Interesse der Marine in Kiel geweckt?
Kiel besitzt in der Förde – und zwar in ihrem inneren Teil – einen ausgezeichneten Naturhafen. Mit einer Länge von etwa 9 km und einer Breite von fast 3.000 m zwischen Möltenort und Holtenau ist dieser Hafen groß genug, um nicht nur eine große Anzahl Handelsschiffe, sondern auch einen starken Flottenverband aufzunehmen. Der Hafen wird zudem durch die Enge bei Friedrichsort vor der bei stürmischen Winden entstehenden rauen See geschützt.

Diese nur etwa 800 m breite Öffnung konnte sehr leicht verteidigt werden. Darum legten die Dänen zu Beginn des dreißigjährigen Krieges hier eine Festung an. Sie nannten sie „Christianspries“.

Später wurde diese Festung geschleift, dann aber 1663 wieder aufgebaut.

Nun erhielt sie zu Ehren des dänischen Königs Friedrich IV den Namen „Friedrichsort“.

Die günstige Lage des strom- und gezeitenfreien Hafens (der Tidenhub in der Ostsee beträgt nur etwa 0,20 m, tritt also kaum in Erscheinung) war wohl der Grund, dass vor über 100 Jahren die Preußen so großes Interesse an ihm zeigten. Willkommener Anlass, sich in seinen Besitz zu setzen, bot der deutsch-dänische Krieg im Jahre 1864, der von Preußen und Österreich gemeinsam geführt und siegreich beendet worden war.

Im Friedensvertrag zu Wien am 30.10.1864 musste Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die Sieger abtreten.

Während das Herzogtum Schleswig und auch Lauenburg von den Preußen verwaltet wurde, gehörte Holstein – und damit auch Kiel – zum Besatzungsgebiet Österreichs.

In der sogenannten „Gasteiner Konvention von 1865“ erreichte es Preußen, den Hafen von Kiel als Kriegshafen und Stützpunkt für seine Flotte zu erhalten. Als dann Admiral JACHMANN mit seinem Geschwader in die Förde einlief, wurde Kiel zu einer zweigeteilten Stadt: Die Verwaltung der Stadt unterstand dem österreichischen Statthalter, während die Preußen die polizeiliche Gewalt über das Hafengebiet, die Wasserfläche des Hafens und die Festung Friedrichsort hatten.

Die Waffenbrüderschaft und das anfangs gute Einvernehmen zwischen Österreichern und Preußen hielten jedoch nicht lange an. Es traten bald Spannungen auf, die schließlich im Sommer 1866 zum Kriege führten.

Das preußische Heer war schlagkräftiger und Österreich wurde in der Schlacht bei Königsgrätz besiegt.
Im Friedensvertrag zu Prag am 23.08.1866 musste Österreich alle Ansprüche an Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen abtreten.

Die von der Mehrheit der schleswig-holsteinischen Bevölkerung bereits nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 erhoffte politische Selbständigkeit unter ihrem Herzog Friedrich VIII von Augustenburg erfüllte sich nicht.

Weihnachten 1866 wurden die Landesteile Schleswig und Holstein als „Provinz Schleswig-Holstein“ dem Königreich Preußen einverleibt.

Durch die gewaltsame Trennung der Herzogtümer von Dänemark wurden natürlich auch die wirtschaftlichen Bindungen nach dem Norden unterbrochen. Besonders die Stadt Kiel bekam dies zu spüren.
Jetzt aber trat die Marine als neuer Wirtschaftsfaktor für die Stadt auf.

Kiel war nicht nur Kriegshafen, sondern auch Garnison für die Landtruppenteile der Marine. Matrosen- und Seeartillerie und das Seebataillon wurden hierher verlegt und eine Marineschule für die Seeoffizierausbildung eingerichtet. Zugleich wurden Depots für die Flotte bei der Seebadeanstalt Düsternbrook angelegt und im Sommer 1867 bei dem Fischerdorf Ellerbek an der Schwentinemündung ein „Marine-Etablissement“ Marinearsenal errichtet, das sich dann einige Jahre später zur kaiserlichen Werft ausweitete.

Bis zur Jahrhundertwende etwa war es üblich, die Kriegsschiffe während des Winters außer Dienst zu stellen, um Betriebs- und Unterhaltungskosten zu sparen. Die Segel und das gesamte „laufende Gut“ (Tauwerk) wurde abge-schlagen, die Kanonen ausgebaut und alles im Arsenal eingelagert, während die Schiffsbesatzungen an Land in Kasernen untergebracht wurden.

Im Jahre 1867 ging die preußische Flotte in die Marine des norddeutschen Bundes auf. Von nun an wehte auf den Kriegsschiffen im Hafen und über der Festung Friedrichsort die schwarz-weiß-rote Bundesflagge.

Inzwischen waren zwischen Preußen und Frankreich politische Spannungen aufgetreten und am 19.07.1870 erklärte Frankreich an Preußen den Krieg.
Für den Kriegshafen Kiel bestand nun die Gefahr, von dem in der Ostsee kreuzenden französischen Flottenverband angegriffen oder aber blockiert zu werden. Die wenigen Kriegsschiffe des norddeutschen Bundes waren keineswegs in der Lage, das an Kampfkraft weit überlegene französische Geschwader zu vertreiben. Deshalb wurde die Festung Friedrichsort in Verteidigungszustand versetzt, ihre Wälle verstärkt und eine bessere Armierung mit neuen Krupp-Geschützen vorgenommen.

Im Übrigen beschränkte sich Preußen auf den Schutz der schleswig-holsteinischen Küste durch das Seebataillon.

In der damaligen Zeit bestand die Aufgabe der Marine vornehmlich darin, „verlängerter Arm“ des Landheeres zu sein, das heißt, die Flanken der Armee nach See zu und die Küste selbst zu schützen. Deshalb standen im Allgemeinen an der Spitze der Marine ausschließlich Heeresoffiziere, wie die Generäle ROOF, STOSCH und von CAPRIVI.

Erst der junge Kaiser WILHELM II machte nach seiner Regierungsübernahme im Jahre 1886 die Marine „mündig“ und stellte an ihre Spitze einen Seeoffizier, Vizeadmiral Graf von MONTS.

Im Kriege 1870/71 unterstand die Küstenverteidigung Schleswig-Holsteins dem preußischen General von FALCKENSTEIN. Später erhielt ein Fort der Festung Friedrichsort seinen Namen, das in unmittelbarer Nähe des heutigen Badestrandes an der Kieler Förde lag, den „Falckensteiner Strand“.

Nun, die Geschütze der Festung Friedrichsort bekamen während des deutsch-französischen Krieges nichts zu tun, obwohl der französische Flottenverband zeitweise auch in der Kieler Bucht gesichtet wurde.
Der entscheidende Abschnitt für Kiel als Marinestadt begann mit der Errich-tung des deutschen Kaiserreiches durch BISMARCK am 18.01.1871.

Aus der „Norddeutschen Bundesmarine“ war die „Kaiserliche Marine“ geworden. Auf Grund der Reichsverfassung vom 16.04.1871 erhielt der Kieler Hafen die Bezeichnung „Reichskriegshafen“. Dies bedeutete zugleich einen Ausbau des Hafens zum größten Flottenstützpunkt des Reiches und damit auch eine weitere wirtschaftliche Belebung der Stadt.

Die auf dem Ostufer entstandene „Kaiserliche Werft“, die die Kriegsschiffe instandsetzte und ausrüstete, baute nun auch neue Kriegsschiffe.

Der erste Neubau, ein Panzerschiff, lief dort bereits 1874 vom Stapel.

Die Garnison wurde durch weitere Landtruppenteile, wie Matrosendivision und Werftdivision verstärkt. Aber es wurden nicht nur Marinesoldaten, sondern auch Heeressoldaten nach Kiel verlegt.

Mit dieser Heereseinheit (es handelte sich um das 3. Bataillon des Infanterieregimentes „Herzog von Holstein“ Nr. 85) hing auch der Ausdruck „Fünfundachtziger“ für alle Soldaten, die nicht der Marine angehörten, zusammen.
Es ist erstaunlich, dass sich diese Regimentsnummer den Matrosen so eingeprägt hatte.

Die Erklärung liegt wahrscheinlich darin, dass jeder Angehörige der Marine in der Vorkriegszeit öfter mit seinem Schiff nach Kiel kam. Hier traf er immer wieder auf Infanteristen, die, wie es früher üblich war, auf ihren Schulterklappen die Nummer ihres Regiments – also hier „85“ – trugen.

So bildete sich bei den Matrosen die Vorstellung, alle Heeressoldaten seien „Fünfundachtziger“.

In seinem Buch „Splissen und Knoten“ hat später Peter Ernst EIFFE, ein Seeoffizier der kaiserlichen und der Kriegsmarine, eine ganze Reihe heiterer Geschichten über die „Fünfundachtziger“ erzählt.

Auf der „Kaiserlichen Werft“ waren Marine-Schiffbauingenieure mit dem Bau der Kriegsschiffe beschäftigt. Diese Kriegsschiffe besaßen noch eine Takelage, als eine Besegelung, waren aber schon mit Dampfmaschinen ausgestattet. Neben die Seeoffiziere an Bord traten nunmehr die Marine-Ingenieure, die für den Schiffsantrieb verantwortlich waren.

Einer dieser jungen Ingenieure, der Marine-Ingenieur-Aspirant Gustav SONNTAG aus Berlin, brachte eines Tages eine bisher an der Förde kaum bekannte Sportart nach Kiel: das Segeln.

Sonntag kannte das Segeln „um des Vergnügens halber“ von der Havel und dem Wannsee her, wo bereits seit 1830 sportlich gesegelt wurde.

Angesichts des wunderbaren, strom- und gezeitenfreien Segelreviers, das die Kieler Förde bildete, ließ sich der junge Marineingenieur im Winter 1874/75 bei einem Bootsbauer am „Kleinen Kiel“ einen „Lustkutter“ bauen, wie man damals ein solches sportliches Segelfahrzeug nannte, und segelte damit im Frühjahr 1875 auf der Kieler Innenförde. Dieser Sport fand sofort begeisterte Anhänger, sowohl bei Marineoffizieren als auch bei Kieler Bürgersöhnen.

In diesen Kreis segelbegeisterter junger Leute kam einige Zeit später der Marine-Schiffbauingenieur SAEFKOW aus Danzig, ein erfahrener Sportsegler und zugleich ein ausgezeichneter Jachtenkonstrukteur. SEAFKOW war Mitglied des Königsberger Segelclubs „Rhe“ und nun zur „Kaiserlichen Werft“ nach Kiel versetzt.

Unter SEAFKOWs Leitung, assistiert durch den Marine-Schiffbauingenieur BUSLEY und den Unterleutnant zur See AHRENHOLD, einem später bekannten Kieler Marinemaler, veranstaltete man nun auf dem Kieler Hafen untereinander Wettfahrten.

Eine solche Regatta zwischen Segeljachten auf der Innenförde im Sommer 1881 wurde vom Ostufer der Förde aus vom Hamburger Kaufmann WENZEL und seinem Schwager DROEGE beobachtet, die sich gerade auf dem Gut Schrevenborn, dem Besitz WENZELs, aufhielten. Beide Herren waren Vorstandsmitglieder des „Norddeutschen Regattavereins“, der sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Regatten im Ruder- und Segelsport in Hamburg neu zu ordnen und zu fördern.

Sie verabredeten mit den Kieler Veranstaltern für das folgende Jahr eine gemeinsame Wettfahrt zwischen Hamburger und Kieler Seglern.
Diese erste offizielle Segelwettfahrt fand auf der Kieler Förde am 23. Juli 1882 statt und wurde zum Geburtstag der heute weltberühmten „Kieler Woche“.

Am Start waren 20 Yachten und Sieger wurde Unterleutnant zur See AHRENHOLD mit der von Marine-Schiffbauingenieur SEAFKOW konstruierten Yacht „Lolly“.
Von jetzt an führte man alljährlich Wettfahrten auf der Kieler Förde durch.

Die Initiative hierzu ging von den Marineoffizieren aus, die bereits 1883 den „Friedrichsorter Regattaverein“ und im Jahr 1887 in Kiel den „Marine-Regattaverein“ gründeten, aus dem 1891 der „Kaiserliche Yachtclub“ und 1946 dann der heutige „Kieler Yachtclub“ hervorgingen.

Preußen besaß bereits seit 1853 in der Nordsee einen Flottenstützpunkt – das im Jadebusen 1869 fertiggestellte Wilhelmshaven. Dort befand sich auch die Marinestation der Nordsee.

Wie die Erfahrung bisher gezeigt hatte, waren die Zufahrten zur Ostsee, der Sund und die Belte, in Kriegszeiten leicht zu sperren oder zur blockieren.
Die Kaiserliche Marine stand nun vor der Frage, ob sowohl in der Ostsee als auch in der Nordsee je ein starker Flottenverband aufgestellt und unterhalten werden sollte, der für sich allein operieren konnte, oder, ob es zweckmäßiger sei, eine gefahrlose Verbindung zwischen Nord- und Ostsee zu schaffen.

Man kam schließlich zu dem Ergebnis, dass eine für Kriegsfahrzeuge benutzbare Kanalverbindung eine strategische Notwendigkeit sei.

Der Kieler Hafen besaß bereits mit dem 43 km langen Schleswig-Holstein-Kanal (Eider-Kanal) und der Eider, die bei Tönning in die Nordsee mündet, eine derartige Ost-West-Verbindung. Die sechs Schleusen dieses Kanals mit ihren Abmessungen von 35 m Länge, 7,80 m Breite und 3,50 m Tiefe ließen aber nur Schiffe bis zu 400 Tonnen passieren. Für diese etwa 180 km lange Strecke benötigte ein Segelschiff insgesamt vier Tage.

Dampffahrzeuge haben zwar später diesen Weg in etwa 40 Stunden zurückgelegt, für Kriegsschiffe war aber im Allgemeinen ein Passieren dieses Kanals wegen ihrer Abmessungen nicht möglich. Große Schiffe mussten daher den gefährlichen Weg um das Kap Skagen nehmen, wo alljährlich immer wieder Schiffe auf der Westseite der zimbrischen Halbinsel in der Jammerbucht strandeten.

Nach dem Krieg von 1870/71 stiegen der deutsche Handel und der Seeverkehr sprunghaft an. Aufgabe der Marine war jetzt nicht mehr allein der Schutz der heimischen Küsten, sondern vor allem die Sicherheit des deutschen Seehandels und der wirtschaftlichen Interessen im Zuge der deutschen Kolonialpolitik.

Es wurde deshalb zwingende Notwendigkeit für die Schifffahrt – und zwar besonders für die Kriegsfahrzeuge – eine schnelle und sichere Verbindung zwischen Nord- und Ostsee zu schaffen.

Angeregt durch die Planung und den Bau des 1869 fertiggestellten Suez-Kanals wurden bereits um die Mitte des 19.Jahrhunderts eine Reihe von Plänen untersucht, wie Schleswig-Holstein am günstigsten mit einem Schifffahrtskanal durchstochen werden könne.

Wegen der sich dauernd verändernden und damit für die Schifffahrt äußerst gefährlichen Sände vor der schleswig-holsteinischen Westküste war man sich darüber einig, dass ein Schifffahrtskanal südlich der Linie Tönning–Schleswig verlaufen müsse. Man dachte dabei auch an das tiefe Wasser der Unterelbe. Zugleich wurde die Möglichkeit untersucht, den 1777-1784 erbauten Eider-Kanal an die inzwischen veränderten Schiffsgrößen anzupassen.
Diesen Plan gab man aber wegen der gefährlichen Barre vor der Eider-mündung bald wieder auf.

Besonderes Interesse fand der Vorschlag des Geh. Oberbaurates LENTZE, der einen Kanal von St. Margarethen (nördlich von Glückstadt/Elbe) nach Eckernförde bauen und dann mit einem Stichkanal nach Kiel gehen wollte.
Günstig an diesem Projekt war zwar die geräumige Reede auf der Elbe, ungünstig aber der östliche Ausgang. Die Eckernförder Bucht ist zu breit, um wirksam „fortificatorisch“ geschlossen zu werden. Ein Ausgang des Kanals in Kiel war zwar günstiger zu befestigen, man befürchtete jedoch, dass sich im Kieler Hafen die Kriegs- und Handelsschiffe gegenseitig stören könnten.

Eine gänzlich andere Trassierung schlug 1861/62 der Ingenieur KRÜHNKE vor, der seinen Kanal zwar ebenfalls von St. Margarethen beginnen, ihn aber bei Haffkrug in der Neustädter Bucht enden lassen wollte. Da dieser Kanal aber den mittelholsteinischen Höhenrücken überwinden musste, sollte er sechs oder sieben Schleusen erhalten.
Die Mündung eines Nord-Ostsee-Kanals in der Neustädter Bucht wurde sogar von Preußen als die strategisch beste Lösung angesehen, da der Kanal benutzt werden konnte, „ohne unter dänischen Kanonen zu passieren“.

Die Bestrebungen zum Bau eines Kanals und zwar insbesondere das von LENTZE vorgeschlagene Projekt, wurden zunächst durch Generalfeldmarschall Graf von MOLTKE gehemmt, der sich am 23.06.1873 vor dem Reichstag gegen einen Kanalbau aussprach. Er führte aus:

„Wenn wir geneigt sind, für maritim-militärische Zwecke eine Summe von 40 bis 50 Millionen Thalern auszugeben, dann würde ich Ihnen vorschlagen, statt eines Kanals für eine Flotte, eine zweite Flotte zu bauen“.
Graf von MOLTKE tat diesen Ausspruch wohl in der Hoffnung, dass bei einer Ablehnung durch den Reichstag ein solcher Schifffahrtskanal mit privaten Mitteln finanziert werden würde, wie dies beim Bau des Suez-Kanals der Fall war. Reichskanzler von BISMARCK befürwortete dagegen einen Kanalbau, da er mit der Volksstimmung rechnen musste.

Das Volk war nämlich für einen Schifffahrtskanal, aber gegen den Bau einer großen Flotte.
Da zunächst keine Einigung erzielt werde konnte, ruhte das Projekt.

Ende der 70er Jahre aber ließ der Hamburger Reeder DAHLSTRÖM auf seine Kosten das LENTZ’sche Projekt überarbeiten und legte diesen Entwurf dem „Königlich-Preußischen Minister für öffentliche Arbeiten“ vor.

Auf Anordnung Kaiser Wilhelm I beschäftigte sich der Reichstag im Jahre 1883 erneut mit dem Kanalproblem. Mit Erlass vom 17.06.1886 wurde dann endlich der Kanalbau mit Staatsgeldern genehmigt.

Von den veranschlagten Kosten von 156 Mill. Mark übernahm Preußen 50 Mill. Mark, während das Reich die restliche Summe von 106 Mill. Mark aufbrachte.

Am 03.07.1887 erfolgte durch Kaiser Wilhelm I in Holtenau die Grundsteinlegung. Der Kanal kam als 100 km langer Durchstichkanal auf Mittelwasserhöhe der Ostsee auf der Linie Brunsbüttel–Rendsburg–Kiel zur Ausführung mit je einer Schleusenanlage an beiden Mündungen.

Nach achtjähriger Bauzeit konnte am 21.06.1895 der Enkel von Kaiser Wilhelm I, der junge Kaiser Wilhelm II, in Holtenau den Schlussstein setzen. Zum Gedächtnis an Kaiser Wilhelm I erhielt die Wasserstraße den Namen „Kaiser-Wilhelm-Kanal“.

Die Einweihungsfeier war für die Stadt Kiel zugleich das größte und glanzvollste Geschehen während der Kaiserzeit.

Hatte man geglaubt, dass dieser Kanal auf lange Zeit allen Anforderungen des Seeverkehrs genügen würde, so musste man doch bald feststellen, dass die 1886 angenommenen Abmessungen eines Zukunftsschiffes nicht nur von den Kriegsschiffen, sondern auch immer mehr von den Handelsschiffen übertroffen wurden.

Der Reichstag musste deshalb bereits im Jahre 1906 eine weitere Summe von 223 Mill. Mark bewilligen, um Kanallinie und -querschnitt zu verbessern und um größere Schleusen zu bauen. Diese Arbeiten waren dann im Jahre 1924 abgeschlossen. Zu Beginn der Kieler Woche 1914 konnte Kaiser Wilhelm II die neuen Schleusen in Holtenau einweihen und sie dem Weltverkehr übergeben. Sie stellten mit einer Nutzlänge von 350 m, Breite 45 m, Tiefe 14 m die damals größten Schleusen der Welt dar.

Zum Schutze dieser strategisch so wichtigen Kanalverbindung und des Kriegshafens schuf man an der Kieler Förde weitere Befestigungsanlagen. Mittelpunkt war die Festung Friedrichsort.

Bis zum Ausbruch des 1.Weltkrieges waren vorhanden
auf dem Westufer: die Forts HERWARTH, FALCKENSTEIN und HOLTENAU und auf dem Ostufer: die Forts STOSCH, KORÜGEN, RÖBSDORF, die Redoute HEIDBERG und der Panzerturm LABOE
Zum Schutze des Reichskriegshafens Kiel nach Land zu waren außerdem noch eine Anzahl Batterien auf beiden Seiten der Förde aufgestellt und durch sogenannte „Kolonnenwege“ miteinander verbunden.

Das Wachsen der Kieler Garnison sowie die Vergrößerung der Kieler Werften aufgrund des Flottenbauprogramms hatte natürlich auch ein Anwachsen der Einwohnerzahlen zur Folge.

Zunächst kaufte der Marinefiskus das Fischerdorf Ellerbek am Ostufer auf.

Das Dorf wurde teilweise abgetragen, um Hafenanlagen für die „Kaiserliche Werft“ zu gewinnen und sie flächenmäßig zu vergrößern. Durch die Schiffbauaufträge für die Marine wuchs neben den 1888 als Aktiengesellschaft gegründeten Howaldtswerken auch die 1902 von Friedrich KRUPP erworbene Germaniawerft in Gaarden, die bald zu einer der modernsten und leistungsfähigsten Werften der Welt wurde. Durch die Vergrößerung der Werften strömten immer mehr Arbeiter mit ihren Familien aus ganz Deutschland nach Kiel und die Stadt erweiterte sich zusehends.

Hier ein Blick auf die Bewegung der Einwohnerzahlen der Stadt:

• 1864: 18.770
• 1871: 31.764
• 1895: 85.600
• 1900: 108.000
• 1910: 211.000 (einschl. Randgemeinden)

Fast das gesamte Wirtschaftsleben Kiels war auf die Belange der Marine ausgerichtet, andere Erwerbszweige spielten nur eine untergeordnete Rolle.
Diese Abhängigkeit wurde besonders nach den beiden verlorenen Weltkriegen schmerzlich empfunden.

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges am 02.08.1914 waren die Werften noch voll mit der Erfüllung des Flottenbauprogramms beschäftigt. Die im Hafen liegenden Flottenverbünde liefen zwar in der folgenden Zeit in die Ostsee oder Nordsee aus, blieben aber zumeist untätig. So wurden die Marinesoldaten (vor allem die Matrosen auf den „Dickschiffen“) im Allgemeinen nicht so eingesetzt, wie sie selber bei dem harten Ringen an allen Fronten gewünscht hatten. So mag es verständlich erscheinen, dass ein Teil von ihnen dem zersetzenden Gedankengut radikaler Kriegsgegner zugänglich wurde.

Am 1.11.1918 kam es zu Meutereien der Matrosen. Die Revolution nahm hier in Kiel ihren Anfang und hier forderte sie auch ihre ersten blutigen Opfer.

Nach Ende des 1.Weltkrieges musste die deutsche Flotte ausgeliefert werden. Die internierten Schiffe der Hochseeflotte versenkten sich selbst am 21.06.1919 in Scapa Flow.

Der im Friedensvertrag von Versailles dem Deutschen Reich zugestandenen Marine in Stärke von 15.000 Mann verblieben nur noch sechs alte Panzer-schiffe neben einigen kleinen Kreuzern.

Diese Verringerung bekam in erster Linie die Stadt Kiel zu spüren:

Alle Werften blieben ohne Beschäftigung. Hinzu kam noch die steigende Geldentwertung. Kiel geriet in eine wirtschaftlich katastrophale Lage.

Auch die Kaiserliche Werft konnte als nunmehrige Reichswerft zunächst nur Reparaturen durchführen.

Am 1.09.1919 wurde ein Teil dieser Werft – und zwar die Nordwerft in Ellerbek – in das „Marine-Arsenal Kiel“ umgewandelt.

Nach Angliederung des übrigen Teiles an die „Deutsche Werke AG“ in Berlin konnte eine gewisse betriebliche Umstellung vorgenommen werden. Es wurden zunächst Eisenbahntriebwagen hergestellt, bald aber folgten wieder Schiffbauaufträge für Reparationslieferungen in das Ausland.

Langsam gingen dann auch die Howaldtswerke und die Germaniawerft, die vor allem Reparaturarbeiten an Schiffen, Lokomotiven und Maschinen vor-nahmen, wieder zum Schiffbau über.

Das erste Kriegsschiff, das nach den Bestimmungen des „Versailler Vertrages“gebaut werden durfte, lief am 19.05.1931 bei den „Deutschen Werken Kiel“ vom Stapel. Es war das Panzerschiff DEUTSCHLAND, das später in LÜTZOW umgenannt wurde.

Der neue Schiffstyp, von dem noch zwei weitere Schiffe, die ADMIRAL SCHEER und die GRAF SPEE gebaut wurden, stellte im Kriegsschiffbau etwas völlig Neues dar. Die Schiffe hatten neben der Kampfkraft eines Schlachtschiffes die größere Geschwindigkeit eines Kreuzers und wurden von Dieselmotoren angetrieben. Man bezeichnete sie gern als „pocket-battle-ships“, als „Westentaschen-Schlachtschiffe“.

Die deutschen Werke Kiel bauten 1934 ein weiteres Kriegsschiff – und zwar die NÜRNBERG. Nach Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland und Umbenennung der „Reichsmarine“ in „Kriegsmarine“ am 01.05.1935 wurden auf der selben Werft das Schlachtschiff GNEISENAU (1936), der Schwere Kreuzer BLÜCHER (1937) und der einzige Flugzeug-träger der Kriegsmarine, der GRAF ZEPPELIN (1938), gebaut, der jedoch nie fertiggestellt wurde und als Torso an die Sowjetunion fiel. Auf der der Firma Friedrich KRUPP gehörenden Germaniawerft lief 1938 der Schwere Kreuzer PRINZ EUGEN vom Stapel. Bemerkenswert ist, dass die NÜRNBERG und die PRINZ EUGEN die beiden letzten kampffähigen Einheiten zum Ende des Krieges waren.

Durch die Verstärkung und Vergrößerung der Flottenstreitkräfte auf-grund des deutsch-britischen Flottenab-kommens vom 18.06. 1935 waren in der Mitte der dreißiger Jahre alle Werften im Kriegsschiffbau tätig, auch die Howaldtswerke, welche 1937 in den Besitz des Reiches übergingen und der Kriegsmarine un-mittelbar unterstanden.

Die Hilfsindustrien und die Ausrüstungsbetriebe stellten sich wieder ganz auf den Kriegsschiffbau um.

In Kiel wurden aber auch kleinere Einheiten, wie Zerstörer und U-Boote, gebaut. Vornehmlich auf den Halligen der Germaniawerft entstanden U-Boote. Diese Werft verfügte über die größte Erfahrung und hier lief am 04.08.1906 das erste brauchbare Tauchboot für die Kaiserliche Marine vom Stapel. Dieses mit einem Petroleummotor ausgerüstete Boot „U 1“ befindet sich heute in München im Deutschen Museum.

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden auf dieser Werft die im Binnen-land gefertigten Sektionen des „absoluten Unterseebootes“ vom Typ XXI und XXII zusammengebaut.

Diese diesel-elektrischen Boote mit ihrer großen Unterwassergeschwindigkeit (bis zu 15 sm/h) konnten mit Hilfe des Schnorchels wochenlang unter Wasser operieren.
Erwähnt werden muss, dass 1850 in Kiel überhaupt das erste Unterwasserfahrzeug gebaut und auf der Kieler Förde erprobt wurde. Es war nach den Plänen des bayrischen Unteroffiziers Wilhelm BAUER konstruiert. Ein am Ende des Zweiten Weltkrieges von seiner Besatzung versenktes, 1956 gehobenes und wieder instandgesetztes U-Boot vom Typ XXI, das als Versuchsboot für die Bundesmarine fuhr, trug den Namen WILHELM BAUER.

In der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Kiel eine bewusste Werbung, um Aufträge für seine Industrieunternehmen zu erhalten. Besondere Zugkraft erhoffte man sich von der früher in aller Welt bekannten „Kieler Woche“.

Es fehlten aber jetzt alle Voraussetzungen hierfür, denn die großen Segelyachten der Vorkriegszeit waren dem Krieg oder der Inflation zum Opfer gefallen. Außerdem war das Segeln noch kein Volkssport geworden.

Die „Kieler Woche“ wurde deshalb zu einer allgemeinen Sportwoche umgewandelt, d.h., zum Segelsport kam der Sport auf dem grünen Rasen.

Die Reichsmarine, später auch die Kriegsmarine, sah es als ihre Ehrenpflicht an, bei den Vorbereitungen und der Durchführung, vor allem der Segelregatten, mitzuhelfen. Es wurde durch den Marine-Regattaverein nicht nur materielle Hilfe gewährt, sondern die Marine lud fremde Marinen wieder nach Kiel ein und führte besondere Marine-Segelregatten durch.

Die „Kieler Woche“ bekam dann in den dreißiger Jahren wieder ihre alte internationale Bedeutung. Als 1936 die Olympischen Spiele in Berlin stattfanden, war es selbstverständlich, dass die Segelwettfahrten der Olympiade auf der Kieler Förde durchgeführt wurden.

Diese Segelolympiade war für Kiel das bedeutendste Geschehen zwischen den beiden Weltkriegen. Organisiert und durchgeführt wurden die Regatten der vier olympischen Klassen (Olympiajolle, Startboot, 6-m-R-Yachten und 8-m-R-Yachten) durch den Marine-Standortsportoffizier, Korvettenkapitän HAUCK.

Die Marine leistete materielle Hilfe und stellte die beiden Start- und Zielschiffe NAJADE und UNDINE zur Verfügung. Die Regatten der Olympiajollen und der Startboote fanden damals auf der Innenförde statt, denn man konnte die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals geschlossen halten, um die Wettkämpfe nicht zu stören.

Das konnte bei dem Verkehrsaufkommen dieser Wasserstraße für die olympischen Segelwettkämpfe 1972 schon nicht mehr durchgeführt werden.

Kurz vor der Segelolympiade, die vom 4. bis 14. August 1936 dauerte, wurde das Marine-Ehrenmal Laboe eingeweiht, nachdem bereits 1930 das U-Boot-Ehrenmal in Möltenort enthüllt worden war. Die Einweihungsfeier in Laboe fand am 31.05.1936 statt, dem 20. Jahrestag der Seeschlacht am Skagerrak. Erbaut wurde dieses einzigartige Ehrenmal aus den Spenden aller Marineangehörigen. Es steht an der Stelle des ehemaligen Panzerturmes und die unterirdische Gedenkhalle befindet sich im Sprengtrichter der früheren Kasematte.

Beim Passieren des Marine-Ehrenmales Laboe dippen alle Kriegsschiffe und auch viele Handelsschiffe die Flagge und ehren auf diese Weise die Gefallenen.

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg kam nach Kiel-Holtenau eine Seefliegerstation. 1916/17 war Gunter PLÜSCHOW, einer der berühmtesten Front-flieger im Ersten Weltkrieg, Kommandant dieser Station. Er ist in der Marinegeschichte als „Flieger von Tsingtau“ eingegangen.

Von 1935 bis 1945 befand sich in Holtenau wieder ein Seeflieger-Horst und seit 1956 ist hier ein Marine-Fliegergeschwader stationiert. Zu diesem Fliegergeschwader gehörten eine Seenotstaffel mit amphibischen Flugzeugen für den Such-dienst, eine Hubschrauberstaffel für den Rettungsdienst und eine Dienst- und Transportstaffel. Heute ist hier das Marinefliegergeschwader 5 mit nur noch einer Hubschrauberstaffel stationiert. Diese Flieger sind jedoch nicht nur im Seenot-Rettungsdienst eingesetzt, sondern führen unter anderem auch Krankentransporte für die Zivilbevölkerung durch, wenn es gilt, lebensgefährlich Verletzte zur Spezialbehandlung in eine der umliegenden Kliniken zu fliegen. Auch in Katastrophenfällen und im Winter, wenn Dörfer eingeschneit und Halligen vom Eis blockiert sind, treten sie als „rettende Engel“ auf.

Während des Zweiten Weltkrieges war die Marinestadt Kiel mit ihren Werften ein lohnendes Angriffsziel für die alliierten Bomberverbände. Am Ende des Krieges war die Stadt Kiel zu 80 Prozent zerstört. Nach der Kapitulation wurden auf Befehl der Alliierten die letzen Reste der Werfthallen, Helligen und Kai-Anlagen auf dem Ostufer gesprengt, während der tatkräftige Oberbürgermeister Andreas GAYK den Wiederaufbau der Stadt betrieb. Die Trümmer wurden von der Bevölkerung geräumt, neue Wohnungen erstellt und Grünanlagen, die sogenannten „Gayk-Wälder“, durch die Schulkinder angelegt. Um Kiel für die Zukunft krisenfest zu machen, wurden neue Industrien angesiedelt.

Seit 1946 ist Kiel Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein.

Die 1888 erbaute Marine-Akademie wurde zum Landeshaus, Sitz des/der Ministerpräsidenten/in und des Landtages.

Nachdem die größten Schäden beseitigt waren, begannen die Howaldtswerke als einzige Werft auf dem Ostufer außer Schiffsreparaturen auch wieder Schiffe zu bauen. Nach Aufhebung der Tonnagebeschränkung liefen dann immer größere Schiffe und schließlich auch riesige Tanker vom Stapel. Auch U-Boote für die Bundesmarine wurden hier gebaut.

Nach der Fusion mit der Deutschen Werft AG wurde die „Howaldtswerke Deutsche Werft AG“ leistungsfähigste Werft der Bundesrepublik.

Als 1956 die Bundeswehr geschaffen wurde, war es eigentlich selbstver-ständlich, dass die Marine wieder nach Kiel kam. Die ehemaligen Kasernenanlagen in der Wik und an der Tirpitzmole nahmen Stäbe und schwimmende Einheiten auf. Zunächst traten die kleinen Bootsverbände, wie Minensuch-, Schnellboot-, U-Boot- und Schulgeschwader nicht weiter in Erscheinung. Dann aber wurde die Marine durch das Hinzutreten größerer Schiffseinheiten bis zum Lenkwaffenzerstörer ein beachtlicher Faktor im Wirtschaftsleben der Stadt.

Kiel hat also eine mehr als hundertjährige Marinetradition. Die Marine gehört zum Gesamtbild dieser Stadt an der Förde, was immer noch besonders während der alljährlichen „Kieler Woche“ in Erscheinung tritt, wenn fremde Kriegsschiffseinheiten im Tirpitzhafen festmachen.

Im Gegensatz zu den früheren Jahren steht der Soldat als mitverantwortlicher Bürger im politischen Geschehen seiner Garnison. Auch die Bürger der Stadt betrachten ihre Soldaten als zu ihnen gehörig. Dieses gute Einvernehmen ist ein Teil der Tradition der Marinestadt Kiel und diese Tradition zu pflegen und zu erhalten, wird auch immer ein Anliegen der Marine bleiben.

Schlussbetrachtung:

Kiel ist mit der Marine gewachsen, hat aber sicherlich auch mit und durch die Marine unter den Folgen des schlimmen Zweiten Weltkrieges gelitten. Dennoch zeugen noch heute Baudenkmäler, wie die Petruskirche, das ehemalige Anschar-Krankenhaus, die katholische Kirche in der Feldstraße oder auch die frühere Marine-Akademie (die heutige Landesregierung) von einer bereichernden Zeit mit der Marine in Kiel.

Die Gründung des Marineregattavereins (der heutige Kieler-Yacht-Club), die Entwicklung der Kieler Woche mit Regatten, Kongressen, Tagungen und tausenden ausländischen Besuchern, der Bau des Nord-Ostsee-Kanals als meistbefahrene Seestraße der Welt sind nur einige herausragende Beispiele für die positive Entwicklung Kiels mit der Marine.

Seit einigen Jahren zählen diese Tatsachen alle nicht mehr, denn es war eine politische Entscheidung, den Kieler Marinebereich deutlich zu reduzieren.

Es erscheint einem angesichts der historischen Entwicklung Kiels mit der Marine fast unglaublich, dass eine Entscheidung gegen den Marinestandort Kiel fallen konnte, aber leider zeigt die Umstrukturierung der Bundeswehr einen enormen Aderlass im einzigen Tiefwasserhafen an der Ostseeküste.

Nachdem ein Minensuch-, ein Schnellboot- und ebenso ein Landungsbootgeschwader sowie die U-Boote mit dem U-Bootflottillenstab bis 1998 Kiel verlassen hatten, wurde ebenfalls die Technische Marineschule 2001 in Kiel aufgelöst. Mit der Außerdienststellung der drei Lenkwaffenzerstörer hat die Marinestadt Kiel seine einstige Bedeutung als herausragender Flottenstützpunkt in der Ostsee nun leider verloren, so dass einzig das Segelschulschiff GORCH FOCK und der Einsatzgrupppenversorger FRANKFURT AM MAIN zeitweilig den Marinehafen zieren.

Sicher, die Aufgaben der Seestreitkräfte haben sich in andere Richtungen verlagert, was aber in der Zukunft (hoffentlich) nicht das Aus für Kiel als Marinestadt bedeutet.